Das gesammelte Für und Wider findest du in diesem Blogbeitrag – inklusive Hinweis, wo sich Finanztip, Finanzfluss und Co. irren, wenn sie behaupten, dass Rentenversicherungen zu teuer seien.
Wenn ich schon 30 oder 40 Jahre für’s Alter vorsorge, sollte mein Vermögen zumindest auch bis zum Ableben reichen. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland liegt je nach Quelle bei 81-82 Jahren. Theoretisch genügt es also für den Durchschnitt, wenn die Ersparnisse 15 Jahre reichen – ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren vorausgesetzt.
Das Problem mit Durchschnitt, Mehrheit und Wahrscheinlichkeit: sie nützen nichts, wenn ich auf der “falschen Seite” stehe.
-> Die Mehrheit der Leute wird schließlich auch nicht berufsunfähig.
-> Die Wahrscheinlichkeit eines lebensverändernden Unfalls ist ebenfalls gering.
-> Der Durchschnitt stirbt nicht mit 35, während er Frau & Kindern eine vierstellige Hausfinanzierungs-Rate hinterlässt.
Was in den vorgenannten Beispielen eine BU-, Unfall- und Risikolebensversicherung absichern, macht eine Rentenversicherung für den Fall, dass ich eben nicht schon mit 82, sondern erst mit 90, 95 oder 100 Jahren versterbe: ich bekomme eine lebenslange Rente, völlig egal ob mein Vermögen schon aufgebraucht wäre oder nicht. Versicherer schätzen dafür meine Lebenserwartung und verteilen das mit z.B. 67 zur Verfügung stehende Geld entsprechend. Ob das schlussendlich ein gutes Geschäft war, kann erst mit dem Tod exakt berechnet werden.
Was die statistische Lebenserwartung nicht verrät: die sogenannte “negative Risikoselektion”. Eine Rentenversicherung wird meist von Menschen abgeschlossen, die gesünder sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Alkoholiker, Drogenabhängige und Schwerkranke haben eher keine Rentenversicherung. Der durchschnittliche Deutsche mag 81-82 werden, der durchschnittliche Inhaber einer privaten Rentenversicherung jedoch um einiges älter.
Im Gegensatz dazu muss ich im Depot mit dem Vermögen haushalten, das ich bis 67 angesammelt habe. Während meiner Rentenzeit kann die Börse stark schwanken. Eventuell muss ich dadurch mehr Anteile verkaufen als geplant, um meinen Lebensstandard zu halten. Dann wäre mein Geld viel schneller aufgebraucht als vorher kalkuliert. Andersrum gilt natürlich Gegenteiliges für Börsen-Hochs im Rentenalter. Aber auch Krankheiten, die besondere Ausgaben erfordern, können das Depotvermögen schneller dezimieren als mir lieb ist.
Depot-ETF-Sparplan und ETF-Rentenversicherung unterscheiden sich maßgeblich in der Versteuerung, wobei die Rentenversicherung steuerlich begünstigt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Vertrag mindestens 12 Jahre bespart wird und frühestens mit 62 zur Auszahlung kommt (sog. 62/12-Regel). Da im Rahmen der ETF-Rentenversicherung zwischen Einmal-Auszahlung (“Kapitalwahlrecht”) und Auszahlung einer lebenslangen Rente gewählt werden kann, sind auch hier noch einmal Unterschiede zu beachten.
ETF-Sparplan im Depot
ETF-Rentenversicherung
Ertragswertverfahren bedeutet: nur ein bestimmter Teil meiner Erträge ist steuerpflichtig. Welcher Teil das ist, wird durch den Zeitpunkt des Auszahlungsbeginns der Rente bestimmt, siehe hierzu Tabelle 1. bb) §22 EStG. Grundsätzlich gilt: je später der Rentenbeginn, desto geringer der steuerpflichtige Anteil. Lasse ich die Rente mit 65 beginnen, beträgt er bspw. 18%. D.h. ich muss nur 18% meiner gesamten Erträge mit meinem dann gültigen Steuersatz versteuern. Unter Berücksichtigung von Freibeträgen und der Annahme, dass mein späterer Steuersatz geringer ist als mein jetziger, tendiert die Steuerlast auf die so ausgezahlte Rente häufig gegen 0. Nach heutiger Gesetzgebung läge sie im Worstcase bei 8%.
Halbeinkünfteverfahren bedeutet: zahle ich mir zu einem frei gewählten Zeitpunkt (frühestens mit 62) das angesparte Kapital in einer Summe aus der Rentenversicherung aus, ist lediglich die Hälfte meiner Erträge steuerpflichtig.
ETF-Sparplan im Depot
ETF-Rentenversicherung
Teilfreistellung beschreibt den Anteil der Gewinne, der nicht versteuert werden muss. Während die Teilfreistellung innerhalb von Rentenversicherungen auf 15% festgelegt ist, schwankt sie für Fonds im Depot je nachdem, wie groß der Anteil an Aktien im gewählten Fonds ist.
30% Teilfreistellung, wenn Aktienquote >=51%
15% Teilfreistellung, wenn Aktienquote >=25%
0% Teilfreistellung, wenn Aktienquote <25%
Beliebte Aktien-ETF auf den MSCI World, Emerging Markets oder den S&P500 genießen entsprechend 30% Teilfreistellung.
Steuergesetze ändern sich. Die aktuellen 26,375% KESt. auf Depot-Gewinne sind nicht für die nächsten Jahre in Stein gemeißelt – geschweige denn für vier Jahrzehnte bis zur Rente. Stellvertretend hierfür steht der Gedanke der SPD, Grünen und Linken im Zuge des aktuellen Wahlkampfes, die Kapitalertragssteuer abschaffen zu wollen und Aktionäre stattdessen mit dem persönlichen Steuersatz zur Kasse zu bitten. In Zahlen: 42% statt 26,375% für jeden, der mehr als 58.000€ brutto p.a. verdient. Solche drastischen Änderungen könnten in kürzester Zeit Realität werden – eine Vorhersage, wie du deine Depot-Erträge in 40 Jahren versteuern darfst, wäre also maximal Glaskugellesen.
Potenziell besser steht es dagegen um Rentenversicherungen. Deutschland ist seit jeher ein Versicherungsland. Das macht es unwahrscheinlich, dass alle bestehenden Rentenversicherungen von neuen gesetzlichen Regelungen betroffen wären, sondern wohl eher nur Neuverträge. Mit Sicherheit sagen kann zwar auch das niemand, aber die Vergangenheit legt diese Annahme ausgesprochen nahe, denn bspw. 2005 gab es bereits eine solche weitreichende Änderung. Bis Ende 2004 abgeschlossene Lebensversicherungen haben Steuerfreiheit genossen. Die ab 2005 beginnende Steuerpflicht galt lediglich für Neuverträge.
Moderne Rentenversicherungen bieten vergleichbare Flexibilität zum Depot: Täglicher Einblick in die Wertentwicklung, kostenfreie Entnahmen, Sonderzahlungen, freie Verfügbarkeit im Rentenalter und vieles mehr. Aktuelle Tarife sind im Handling schlicht ein Depot im Versicherungsmantel. Bis hin zur Möglichkeit, eine Rentengarantiezeit zu vereinbaren und damit sicherzustellen, dass eine frei wählbare Person nach dem eigenen Tod weiterhin eine Rente ausgezahlt bekommt. Diese Optionen sind keine Welt-Neuheit, aber viele Versicherer reagieren auf das gestiegene Flexibilitäts-Bedürfnis und Kostenbewusstsein ihrer Kunden.
In der Entnahmephase bieten manche Rentenversicherungen neben dem Kapitalwahlrecht und einer lebenslangen Rente auch die Option, sich seinen eigenen “Auszahlplan” einzurichten. Dieser funktioniert dann analog zum Auszahlplan im Depot, nur eben mit den steuerlichen Vorteilen einer Rentenversicherung. In Sachen Flexibilität ist praktisch kaum noch etwas von der früheren Trägheit der Versicherer übrig, wenn man von einigen Urgesteinen der Branche absieht. Gut so.
Auch hinsichtlich der Fondsauswahl wird klar, dass die Gesellschaften mit der Zeit gehen. So haben einige Anbieter mittlerweile deutlich über 100 Fonds und ETF zur Auswahl. Während Einzelaktien oder besonders exotische ETF nicht zur Verfügung stehen, lässt sich eine Rentenversicherung stattdessen hervorragend als Core-/Kern-Investment in eine Altersvorsorge-Strategie einbinden. Hierfür sind die Optionen divers: weltweit investierende ETF, Emerging Markets (Schwellen- und Entwicklungsländer), Small Caps (kleinere Unternehmen), länderspezifische Fonds uvm. Wenn gewünscht auch nachhaltig.
Einer der absolut wesentlichen Vorteile guter ETF-Rentenversicherungen ist es, Fondswechsel jederzeit kosten- und steuerfrei vornehmen zu können. Dazu zählen sowohl Änderungen des Sparplans, also auch das Umverteilen des gesamten Vertragsguthabens. “Schön und gut”, könnte man jetzt meinen, “aber ich bespare meine ETFs bis ich Rentner bin, da wird nichts getauscht.”
Ein paar Gedankenspiele für die nächsten 40 Jahre:
In all diesen Fällen würden bei einem Fondswechsel im Depot Steuern anfallen, jedoch nicht in der Rentenversicherung. Selbst wenn nur alle zehn Jahre ein Fondswechsel vorgenommen wird, ist die gesparte Steuerlast in der Rentenversicherung immens.
Einen Sparprozess 30 oder 40 Jahre durchzuhalten erfordert mehr Disziplin als man meint. Auf dem Weg zur Rente wird es diverse Versuchungen geben, vorzeitig an das Vermögen zu gehen – egal ob für ein neues Auto, eine Weltreise, Renovierungsarbeiten am Haus oder um der Tochter das Wunsch-Studium an einer Privatuni zu ermöglichen. So plausibel die Hintergründe sein mögen: dafür ist die Altersvorsorge schlicht nicht gedacht. Deshalb ist es übrigens auch so wichtig, Altersvorsorge und Vermögensaufbau strikt voneinander zu trennen.
Auf Anhieb werden die meisten sagen: “Quatsch, ich bin diszipliniert, ich ziehe das durch…”, und das kann auch tatsächlich so sein. Ein realistisches Selbstbild ist hier das A und O. Aber egal, für wie vernünftig & rational wir uns halten: am Ende treffen wir Entscheidungen mehrheitlich emotional. Und dann ist der Weg, über eine einfache TAN Geld vom Depot abzuziehen, doch etwas kürzer, als sich das Geld beim Versicherer anfordern zu müssen. Ein Kollege sagt immer: “Das Verhalten ist wichtiger als das Produkt.” Am Ende ist Altersvorsorge ein Marathon, kein Sprint.
Mit einer planbaren & konstanten Rente lebt es sich für Viele im Alter entspannter, weil ab einem selbst gewählten Zeitpunkt monatlich eine planbare Summe auf’s Konto kommt. Und zwar ohne dass man sich um aktuelle Börsenstände, die Höhe der mtl. Entnahmen oder die Frage, ob nun das Leben oder das Depot schneller “aufgebraucht” sind, kümmern muss.
Wenn ich Kunden zum Thema Berufsunfähigkeit berate, geben mir viele zu verstehen, dass sie sich vorstellen können, auch im BU-Fall zumindest irgendeiner Beschäftigung weiter nachzugehen, wenn sie ihren Job nicht mehr ausüben können. Solche Fälle sind jedoch nicht zu unterschätzen: Berufsunfähigen geht es wirklich schlecht und neben diesen gesundheitlichen Problemen will niemand auch noch finanzielle Sorgen haben. Übertragen auf’s Alter will ich damit sagen: das Kontrollieren meines Entnahmeplans aus meinem Depot KANN Spaß bringen, aber auch nervig sein. Irgendwann ist mal gut mit Stress, dann sind bequemere Lösungen gefragt. Vielleicht will ich mit 70+ einfach mal meine Ruhe haben.
Aus meinen täglichen Gesprächen DER Knackpunkt schlechthin, warum insbesondere Ingenieure, Informatiker und Co. den ETF-Sparplan über ihr Depot der ETF-Rentenversicherung vorziehen. Und das nicht ohne Grund: bespare ich jeweils den selben ETF, reduzieren die Kosten der Rentenversicherung das Ablaufergebnis gegenüber der Depot-Variante. Es ist in vereinzelten Tarifen sogar möglich, dass die Kosten der Rentenversicherung ihre Vorteile gänzlich auffressen.
Kosten in Rentenversicherungen werden als sog. “Effektivkosten” zusammengefasst. Diese entsprechen übersetzt der Rendite, die durch das Produkt verloren gegangen ist. ETF selbst sind für ihre geringen Kosten bekannt und schlagen idR. mit ca. 0,2% zu Buche, während sich die meisten Rentenversicherungen bei 1-2% Kosten (inkl. ETF) bewegen. Bereits 1% zusätzliche Kosten lassen die Ablaufleistung (vor Steuern) bei 300€ Sparbeitrag über 35 Jahre Laufzeit und 7% angenommener ETF-Rendite um ca. 100.000€ sinken! Dieses Defizit wird nicht zuletzt durch die im Produkt enthaltenen Provisionen verursacht und kann auch durch die bereits angesprochenen Vorteile selten ausgeglichen werden.
Die Lösung hierfür ist allerdings so simpel wie logisch: solche kostenintensiven Rentenversicherungen sollten gemieden werden. Stattdessen ergeben sich bei provisionsfreien Tarifen bedeutend geringere Kosten. Diese sog. Honorar- oder Nettotarife gibt es bereits ab 0,25% Effektivkosten zzgl. ETF. Und wenn es unbedingt ein Provisionstarif sein soll: auch diese gibt es bereits für 0,5% Effektivkosten zzgl. ETF.
“Finanztip, Finanzfluss und Co. sagen, dass Rentenversicherungen viel zu teuer sind…”
Ja, das ist auch nicht falsch, trifft aber eben nur auf solche überteuerten Provisionstarife zu.
Man kann sich sowohl den ETF-Sparplan als auch die ETF-Rentenversicherung problemlos als “Sieger” dieses Vergleiches zurechtrechnen – je nach Hin- und Herschieben der unzähligen Parameter sogar deutlich.
Depot-ETF-Sparplan oder ETF-Rentenversicherung? Für die meisten ist das “und” die sinnvollste Lösung.
ETF-Rentenversicherung und Depot bieten für die meisten ein sinnvolles Zusammenspiel, um eine sichere Rente aufzubauen. Wählt man den passenden kostengünstigen Tarif, entfalten sich die steuerlichen Vorteile der Rentenversicherung so richtig. Zudem lässt sich im Todesfall hierüber Erbschaftssteuer sparen, denn das Vertragsguthaben bzw. die weitere Rente fließt nicht der Erbmasse zu, sondern befreit davon direkt auf das Konto des Erben/der Erbin.
Alle steuerlichen Vorteile der ETF-Rentenversicherung haben einen simplen Hintergrund: der Staat will seine Bürger lebenslang versorgt wissen, damit diese nicht mit 85+ zum Sozialfall werden, weil ihr Depotvermögen aufgebraucht ist.
Gute Rentenversicherungen sind bedeutend günstiger als viele denken. Es ergibt wenig Sinn, einerseits ETFs dafür zu loben, dass sie so kostengünstig sind, und andererseits Rentenversicherungen pauschal als teuer abzustempeln, obwohl es beides für ungefähr den gleichen “Preis” von ca. 0,3% Kosten gibt.
Abschließende Tipps für deine perfekte ETF-Rentenversicherung:
Im Optimalfall steht deine Altersvorsorge auf vier Beinen:
1. Staatliche Rente
2. ETF- & Aktien-Depot
3. ETF Rentenversicherung
4. Vermietete Immobilie