Viele Ingenieure beklagen, keinen vernünftigen Ansprechpartner auf Augenhöhe beim Thema Versicherungen zu haben.
Wer kann mich wirklich unabhängig beraten?
Woher weiß ich, ob derjenige wirklich das nötige fachliche Know-How hat?
Aber von vorn…
Im Kontext Versicherungen gibt es lediglich 4 Typen, auf die du treffen kannst:
1. Gebundene Versicherungsvertreter
2. Versicherungsvertreter / Mehrfachagenten
3. Versicherungsmakler
4. Versicherungsberater
Die ersten Drei sind unter der Überschrift Versicherungsvermittler zusammenzufassen.
Die unter 4. genannten Versicherungsberater sind keine Vermittler, weil sie ausschließlich beratend tätig sind und keine Produkte vermitteln. Den Überbegriff „Berater“ für alles und jeden zu verwenden, ist also zwar formal falsch, aber der Verständlichkeit halber mache auch ich davon Gebrauch.
Die Bezeichnung “unabhängig” dürfen ausschließlich Versicherungsmakler und Versicherungsberater und damit weniger als 25% der gesamten Branche führen. Ein mit dem Wort „ungebunden“ werbender Vermittler ist nicht unabhängig – diese Formulierung wird lediglich verwendet, um über ein artverwandtes Wort Unabhängigkeit zu suggerieren.
Wer welchen Status hat, kann frei zugänglich unter www.vermittlerregister.info eingesehen werden, entweder über die Registrierungsnummer oder über die “Erweiterte Suche” mit Vor- und Nachname. Eventuell musst du dann nochmal auf den Reiter “Versicherungen” klicken, wenn derjenige zusätzlich andere Zulassungen besitzt. Solltest du also derzeit irgendwo betreut werden, schau einfach mal nach, welchen Status der- oder diejenige eigentlich innehat.
Solltest du schon einmal etwas von „Finanz-Coach“, „Vermögensberater“ und Co. gehört haben, sei dir der Blogbeitrag „Von Finanz-Coaches und Kolbenflüsterern“ (erscheint bald) dringend ans Herz gelegt! Das sind Fantasiebegriffe! Warum manche Marktteilnehmer sich extra gut klingende Bezeichnungen ausdenken? Ich kann auch nur mutmaßen, aber der Begriff (gebundener) Versicherungsvertreter hat in Deutschland aus der Vergangenheit einen verdammt schlechten Ruf mitgebracht. Böse Zungen würden also behaupten, der eine oder andere wolle sich mit einer gut klingenden Bezeichnung zusätzliches Vertrauen erschleichen.
Egal ob Vertrauensbringer oder nicht: der Status im Vermittlerregister lügt nicht, sagt aber gleichzeitig pauschal rein gar nichts über die Beratungs-Qualität aus.
Übrigens: mancherorts wird empfohlen, in Finanzfragen einen Honorarberater aufzusuchen, also jemanden, der nicht auf Provisionsbasis arbeitet und damit – so das Hauptargument – keinen Verkaufsdruck hat. Stattdessen soll bspw. stundenweise via Honorar abgerechnet werden, unabhängig vom Ergebnis, sodass wirklich nur die reine Beratung bezahlt wird. Doch der „Honorarberater“ fehlt aus gutem Grund in der Aufzählung oben: es gibt ihn in der Versicherungswirtschaft nicht. Stattdessen kann jeder Versicherungsmakler nach Honorar beraten! Sprich also den Versicherungsmakler deines Vertrauens einfach darauf an, ob eine entsprechend provisionsfreie Betreuung möglich ist und wo die Vorteile, Nachteile und Besonderheiten liegen.
Selbstverständlich ließen sich in die Liste möglicher Ansprechpartner in Versicherungsfragen noch Banken, Bausparkassen und Co. aufnehmen, aber ganz ehrlich: Personen & Unternehmen, bei denen Versicherungen maximal ein Nebengeschäft sind, halte ich für nicht annähernd konkurrenzfähige Marktteilnehmer. Insbesondere Berufsunfähigkeitsversicherungen sind für „mal so nebenbei“ einfach zu komplex.
(Eberhard Ressel, Zahlenquelle: Online DIHK Service GmbH)
Vorab: Einen Versicherungsberater (siehe oben, letzte Spalte, Typ 4) mit der Betreuung beauftragen zu können ist unwahrscheinlich, da es davon nur 326 (Stand 01/2021) gibt und die wenigsten davon im B2C-Bereich Privatkunden beraten.
Beispiele für Versicherungsvertreter und gebundene Versicherungsvertreter lassen sich mit ihren ca. 75% Marktanteil sehr häufig finden:
a) fast jeder Versicherer hat seinen sogenannten „Ausschließlichkeitsvertrieb“, bspw.:
Allianz, AXA, Continentale, Debeka, DEVK, ERGO, HUK, LVM, Signal Iduna, WWK
b) (Gebundene) Versicherungsvertreter findet man häufig in Form von Vertriebsorganisationen/Strukturvertrieben:
AFA, DVAG, Horbach, OVB, ProVentus, Swiss Life Select, Tecis, Telis
Makler sind zumeist als unabhängige Selbstständige tätig, können aber ebenso als größerer Vertrieb (Strukturvertrieb) organisiert sein, wie es bspw. bei A.S.I., Dr. Klein, Formaxx, mitNORM, MLP, TauRes oder VVO Haberger der Fall ist.
Klarzustellen ist natürlich, dass es „die beste Berufsunfähigkeitsversicherung“ nicht gibt. Die Herausforderung ist also viel mehr, die individuell passende BU zu finden. Arbeite ich nun als gebundener Versicherungsvertreter bspw. für die Allianz, habe ich dabei gar keine Wahl: entweder, ich vermittle die BU der Allianz, weil ich in ihrem Auftrag arbeite, oder ich lasse es. Nicht, dass die BU der Allianz schlecht wäre. Sie ist sogar ziemlich gut und jemand, der sich nur mit einem einzigen Produkt auseinander setzen muss, kennt es wahrscheinlich auch wirklich in der Tiefe. Es ist aber ein wenig so, als hätte ein Arzt nur eine Hand voll Medikamente vom gleichen Pharmakonzern, die er seinen Patienten verschreiben kann.
Als Mehrfachagent ist die Auswahl da schon bedeutend größer: Verträge mit mehreren Versicherern bedeuten mehr mögliche Lösungen für meinen Kunden. Die ganze Marktbreite steht zwar nicht zur Verfügung, die Auswahl ist jedoch zweifelsohne umfangreicher. Einige wichtige Versicherer fehlen zwar im Portfolio des Mehrfachagenten, doch dazu gleich mehr. Im Arztvergleich könnte man hier von einem Arzt ausgehen, der Verträge mit mehreren Pharmaunternehmen hat und deren Medikamente ausgibt.
Rechtlich und praktisch klar abzugrenzen ist der Versicherungsmakler: er ist vertraglich im Gegensatz zu den beiden Vorgenannten vertraglich an keinen Versicherer gebunden, sondern einzig und allein an seinen Kunden. Es ist per Gesetz seine Pflicht, den Markt nach dem für den Kunden passenden Tarif zu durchforsten und dem Kunden entsprechende Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dabei steht die gesamte Marktbreite zur Verfügung – für dich also rein objektiv der beste Ansprechpartner, um nicht nur irgendeine, sondern die passende BU für dich zu finden.
Aber: Diese Auswahl kann einem Makler wiederum als Nachteil ausgelegt werden, schließlich gibt es neben Berufsunfähigkeitsversicherungen noch über 30 weitere Sparten. Den Überblick über alle Produkte aller Versicherer in allen Sparten mit teilweise mehreren Tarif-Aktualisierungen jährlich zu behalten, ist schlicht unmöglich. Man kann einem Makler daher vorwerfen, unmöglich alle Lösungen in der Tiefe zu kennen. Das wäre gleichzusetzen mit einem Arzt, der hunderte Meter Arzneischränke hat, aus denen er dann behauptet, immer das beste Medikament rausholen zu können.
Fassen wir zusammen: du hast die Wahl zwischen sehr begrenzter Auswahl, begrenzter Auswahl und unübersichtlich großer Auswahl. In der Theorie haben also sowohl Vertreter als auch Makler ihre Vor- und Nachteile. Die Lösung, wie du das Beste für dich herausholst, gibt’s gleich…
Keine BU ist wie die andere. Die Versicherungsbedingungen sind unterschiedlich und insbesondere die Annahmerichtlinien unterscheiden sich wie Tag und Nacht, will heißen: wirst du vom Versicherer angenommen oder stuft er dich schon als „zu krank“ ein?
Beispiel: Anhand deiner Gesundheitsangaben machen dir die Versicherer A, B und C verschiedene Angebote.
Versicherer A nimmt dich zu normalen Bedingungen an.
Versicherer B sieht in dir ein erhöhtes Risiko und vergibt 50% Risikozuschlag.
Versicherer C lehnt dich komplett ab.
Klingt konstruiert? Nein, solche Fälle gibt es in der Praxis immer wieder.
Ein an lediglich einen Versicherer gebundener Vertreter kann unmöglich die passende Lösung stellen, außer er arbeitet für Versicherer A. Ein Mehrfachagent kann schon noch eher in diese Richtung arbeiten, aber auch ihm fehlen manchmal marktführende Versicherer im Portfolio.
2 Beispiele:
Vollkommen egal, ob die jeweiligen Produkte zu deiner individuellen Situation passen: sie überhaupt als Auswahlmöglichkeit zu haben, ist ein riesiger Vorteil für dich als Kunden.
Was es bedeutet, auf einen „unechten“ Makler zu treffen und ob Strukturvertriebe eine gute Anlaufstelle für Finanzberatung für dich sind, erfährst du im Blogbeitrag „Strukturvertriebe – Makler ist nicht gleich Makler“.
Nein, ich glaube tatsächlich nicht, dass das jemand tut. Ich bin mir sogar sicher, dass die meisten gute Absichten haben, jedoch den Vermittler-Job in seiner Komplexität unterschätzen. Hierzu mehr in einem anderen Blogbeitrag.
Nur, weil du jemanden kennst, der im Versicherungsbereich arbeitet, macht ihn das nicht zu einem guten Ansprechpartner für dich. Präsenz ist nicht gleich Kompetenz.
Ja, es ist schön, wenn Onkel Rolf aus der Versicherungsagentur um die Ecke auf kurzem Wege deinen 200€-Haftpflichtschaden regulieren kann und du nach 3 Tagen dein Geld auf dem Konto hast. Schauen wir uns aber mit einer Berufsunfähigkeit einen – aus Sicht des Versicherers – deutlich kostenintensiveren Schaden an, helfen dir Bekanntschaften nicht weiter. Oder glaubst du wirklich, dass der Onkel beim Versicherer mal eben eine Kulanz-Leistung von 900.000€ (2.500€ BU-Rente mtl. über 30 Jahre) durchboxen kann? Wir sind uns sicherlich einig, dass eben solche großen Leistungsfälle die wirklich Existenzbedrohenden sind, für die man Versicherungen ursprünglich mal abgeschlossen hat.
Was dann hilft, sind einzig und allein die Vertragsbedingungen, die man sich beim Abschluss der BU eingekauft hat. Und vielleicht ein versierter Versicherungsmakler mit auf Leistungsfälle spezialisierten Kollegen im Hintergrund. Aber auch die können eben nur Leistungen für dich geltend machen, die auch in deinen Versicherungsbedingungen stehen. Und da wir ja bereits wissen, dass diese von Versicherer zu Versicherer anders sind, sollte ich also bei BU-Abschluss:
a) eine Ahnung haben, was genau ich für mein Geld bekomme und
b) eine Auswahl in Frage kommender Versicherer haben und die Vertragsunterschiede mit meinem Bedarf abgleichen, um die wirklich passende BU zu finden.
Blindes Vertrauen ist bei existenziellen Versicherungen eine schlechte Idee, auch wenn man dafür Onkel Rolf aus der Versicherungsagentur um die Ecke möglicherweise den Rücken kehren muss. Denn wenn im Worst Case ein anderer Versicherer gezahlt hätte, wo die Gesellschaft des Wald- und Wiesen-Vertreters nicht leistet, zählen nette Worte und der Vertrauensvorschuss auch nicht mehr.
Ich sollte mir zunächst erstmal im Klaren sein, wo mein Ansprechpartner im Ernstfall rechtlich stehen soll – entweder in meinem Lager oder in dem des Versicherers. Es gibt hierbei kein richtig oder falsch, ich muss nur als Kunde eine bewusste Entscheidung treffen.
Im Ernstfall steht ein Versicherungsvertreter, egal ob gebunden oder nicht, auf der Seite des Versicherers. Das will zwar manch einer nicht wahrhaben, aber niemand kann Diener zweier Herren sein. Nur an einen ist ein Versicherungsvertreter vertraglich gebunden. Und das ist nicht der Kunde. Nochmal: Das ist weder pauschal gut noch schlecht.
Die Wahl des passenden Beraters ist immer auch die Frage nach dem eigenen Anspruch.
Ein Versicherungsmakler erhöht grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit, das optimale Produkt für deinen individuellen Bedarf zu finden – der Makler muss dazu jedoch fachlich & zwischenmenschlich in der Lage sein. Dafür sollte er möglichst auf deine Berufsgruppe spezialisiert sein. Liest du das hier gerade als (angehender) Arzt, dann lege ich dir einen Versicherungsmakler für Ärzte ans Herz, als (angehender) Lehrer einen für Beamte und als (angehender) Ingenieur solltest du mich kontaktieren.
Die objektiv beste Lösung für dich ist ein auf deinen Beruf ausgerichteter Makler, der optimalerweise zusätzlich nur auf bestimmte Versicherungsbereiche spezialisiert ist. Das verbindet Unabhängigkeit, Marktbreite und Tiefenwissen. Ich ermutige jeden, von diesem bequemen “Alles aus einer Hand”-Gedanken wegzukommen. Bei deiner Gesundheit verzichtest du auch nicht auf die Expertise von Fach-Ärzten. Also wende dich auch in Sachen Finanzen an Spezialisten!
Man mag mir vorwerfen, dass ich als Makler natürlich den Makler als beste Lösung empfinde. Dazu stehe ich, denn ich habe in der Vergangenheit die anderen Wege kennengelernt, die allesamt dazu geführt haben, dass ich nie wieder in Abhängigkeit oder weisungsgebunden für eine Bank oder Versicherung arbeiten möchte.
Aber: ein guter Versicherungsvertreter ist immer noch besser als ein schlechter Makler. Und wenn du an ein Arschloch gerätst, ist es egal, welchen Status er oder sie hat. Gebundene Vertreter, Versicherungsvertreter, Makler, Provisionen, Honorare: alles hat seine Vor- und Nachteile.
Zum Schluss noch ein wichtiger Appell:
Bitte versteh mich nicht falsch, aber die meisten schlechten Beratungen sind zu mind. 80% auf den Kunden zurückzuführen. Geh deshalb an jede Beratung kritisch heran und vertraue nicht blind. Wer nichts hinterfragt, zu allem „Ja und Amen“ sagt und einfach nur „irgendwas“ will, um das leidige Thema Versicherungen endlich vom Tisch zu haben, der muss sich nicht wundern, wenn er so schnell und heftig über den Tisch gezogen wird, dass er die entstehende Reibungshitze noch als Nestwärme empfindet.